Frauenwaldau bis zur Vertreibung im Januar 1945

Bericht von Erna Schneppel, geb. Finke (+2013), in der Kreis Trebnitzer Heimatzeitung Nr.7/2008

 

Das Dorf hatte rund 2000 Einwohner, überwiegend Bauern, Handwerker und Arbeiter. An öffentlichen Einrichtungen und Gewerbebetrieben waren vorhanden:

1 Bahnhof, 2 Kindergärten, 1 Zahnarztpraxis, 1 Apotheke, 4 Volksschulen, 1 Arztpraxis, 1 Hebammenpraxis, 1-2 Tierarztpraxen, 2 Poststellen, 3 Friedhöfe, 2 Schuhmachereien, 1 Landhandelsgenossenschaft, 1 Freiwillige Feuerwehr, 1 Kriegerdenkmal, 2 Sattlereien, 1 Sportplatz, 1 Schneiderei, 6-8 Gastwirtschaften, 1 Polizeistation, 3 Sägewerke, 1 Gärtnerei, 1 Oberförsterei, 1 Baugeschäft, etwa 10 Lebensmittelgeschäfte, davon 3-4 mit Fleischereien, davon 3 mit Bäckereien, 9 Förstereien, 2 Windmühlen, 1 katholische Kirche, 3 Schlossereien, 1 Brauerei-Niederlassung, 1 Kloster mit Land- und Forstwirtschaft, 2 Schmieden, 2 Stellmachereien, 4 Fleischereien, 2 Tischlereien, 3 sonstige Geschäfte.

Die Landwirtschaft:

Der Boden ist fruchtbar, jedoch von Ton über Lehm bis zum Heidesand sehr wechselhaft. Angebaut wurden vor allem Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Futter- und Zuckerrüben, Klee, Luzerne, Lupinen und als Zwischenfrucht-Futterpflanzen Serradella, Peluschken und Futterkohl. Etwa ab 1935 wurden auch die Hauptfrüchte Mais, Flachs und Raps angebaut.

Die Wiesen, Viehweiden und Felder liegen meist direkt hinter den Höfen und schließen oft mit eigenen Wäldern und Teichen ab.

Größter Betrieb war das Dominium Heckethier mit etwa 250 ha Fläche, das 1929 von der "Schlesischen Landgesellschaft" Breslau aufgekauft wurde. Die Gesellschaft bewirtschaftete das Gut vorübergehend weiter und errichtete durch Um- und Neubauten elf Siedlerstellen mit je 10-18 ha und sechs Kleinsiedlungen mit je 0,5 ha Land. Die Vollerwerbssiedlungen wurden vorwiegend von Siedlern aus Westpreußen und Westfalen erworben. Die Gutsarbeiter, in der Mehrzahl Frauen, wurden in gleicher Weise Mitarbeiter der Siedler. Eigenen Besitz hatten sie kaum, von einer bescheidenen Kleintierhaltung abgesehen. Größter Betrieb war in der Folgezeit der Hof von Erwin Vollert mit etwa 104 ha.

Die Forstwirtschaft

Die zusammenhängenden Waldgebiete Frauenwaldau-Kuhbrück und Katholisch Hammer gehören zu den größten Forstgebieten Schlesiens und reichen weit über die Kreisgrenzen hinaus. Frauenwaldau hatte eine staatliche Oberförsterei mit neun Revierförstern.

Baumarten waren vor allem Kiefern, Fichten, Eichen, Buchen und Birken. Als Nutzholz wurden besonders Bau-, Möbel-, Papierholz und Grubenholz für den Bergbau gewonnen. Nebenprodukte waren Holzkohle, die von Köhlern in Meilern hergestellt wurde, und Harz, das vor dem Fällen von Kiefern gewonnen wurde. Händler mit Pferdefuhrwerken, meist aus dem Nachbardorf Deutsch-Hammer, kauften oder sammelten für den Absatz in Breslau "Anmachholz", Weihnachtsbäume und Tannengrün, Reisig für die Rutenbesen, Buchengestrüpp für die Herstellung von Holzessig, Eichenrinde zum Gerben, Moos und Flechten für Antilopen und Rentiere im Zoo.

Reichhaltig war der Wildbestand, für den auf besonderen Feldern Winterfutter angebaut wurde. An Hochwild kamen besonders Rehe, Hirsche, Wildschweine sowie Füchse und Dachse vor, an Niederwild Hasen, Fasane, Rebhühner, Wildenten und Wachteln. Die Jagdrechte auf bäuerlichen Feldern übten Jagdpächter aus, die auch für Wildschäden aufkommen mußten.

Üppig war die Ausbeute an Honig, Beeren, Pilzen und Wildkräutern, die häufig auch für den Verkauf gesammelt wurden.

Der Frauenwalder Bahnhof war alljährlich vor Weihnachten ein gewisser Umschlagplatz für lebende Karpfen aus den benachbarten Teichgebieten der Bartschniederung im Kreis Militsch. Die Fische wurden in wassergefüllten Pferdefahrzeugen angeliefert und in wassergefüllte Spezialwaggons verladen. Dagegen beschränkte sich die Frauenwalder Teichwirtschaft auf den Eigenverbrauch und Kleinverkauf von Karpfen, Hechten und Schleien.

Die Bauwirtschaft

Wohn- und Stallgebäude sind in der Regel zweigeschossig, haben große Böden oder Getreidespeicher, nicht selten auch Keller- und Räucherkammern für Fleischwaren. Die Gebäude der Bauernhöfe sind meist nach fränkischer Bauweise hufeisenförmig angeordnet. Die Häuser der Familien Paul Jany und Paul Nitzek stammten noch aus der Gründerzeit und dürften um 700 Jahre alt gewesen sein. Etwa gleich alt sind Wohnhaus und Stall von Josef Becker, die heute noch stehen. Es sind Lehmbauten mit Schilf-(Schauben-)Dächern und haben musealen Wert.

Anmerkung:

Die Enkelin von Paul Nitzek hat mir dazu geschrieben, daß das von Erna Schneppel erwähnte Lehmhaus nicht Paul Nitzek, sondern dessen Vater August Nitzek gehörte. Paul Nitzek hat mit seiner Familie auf der anderen Straßenseite gewohnt.

Die Kirche wurde 1803-1809 erbaut, 1934 renoviert und mit neuer Orgel ausgestattet.

Die katholische Hauptschule wurde 1803 fertiggestellt und 1945 abgebrochen. 1931 war sie durch einen Neubau von Baumeister Fritz Hoke erweitert worden. Die evangelische Schule in den Borken wurde 1913 gebaut. Dagegen ist nicht bekannt, wann die evangelische Schule in Nieder-Frauenwaldau gebaut wurde.

Die Verlängerung der Eisenbahnstrecke von Großgraben über Frauenwaldau nach Militsch erfolgte um 1912. Die benötigte Erde für die zum Teil zehn Meter hohen Böschungen wurde an der Straße nach Kleingraben entnommen, wo die "Weidenlöcher" entstanden. Wegen des kleinen Wiesenbaches Brande mußten relativ große Brücken gebaut werden. Der Bach verbindet den Stechbartteich mit den Linsener Teichen und war früher reich an Fischen.

Die damalige Dorfstrasse mit beiderseitigen Bürgersteigen wäre noch für heutige Zeit modern. Ursprünglich bestand sie aus Kopfsteinpflaster, wie jetzt noch in den Borken. Sie hatte an der "Koschmiederseite" eine breite Sommerbahn. 1920 wurde die Straße vom Bahnhof bis einschließlich Nieder-Frauenwaldau mit einer "wassergebundenen" Schotterdecke aus blauen Basaltsteinen belegt. Die Zerkleinerung des harten Gesteins nahmen "Steinklopfer" kniend auf Strohsäcken mit langstieligen Hämmern im Akkord vor. 1932 wurde die Straße mit Walzasphalt beschichtet.

Die Wasserversorgung war weniger modern und erfolgte durch Brunnen und Pumpen. Nicht alle Haushaltungen und Viehställe hatten Wasserleitungen. "Ziehbrunnen" gab es noch vereinzelt. Seit 1945 sind diese häufiger.

Die Versorgung mit Elektrizität erfolgte 1923. Eigene Stromversorgungen hatten schon zuvor die Sägewerke Laqua und Burschik & Mann. Dresch-, Häckselmaschinen und Schrotmühlen wurden noch vereinzelt durch Zugtiere und Göpel angetrieben. Das können wir uns jetzt nicht mehr vorstellen, wie schwierig sich ohne Elektrizität z.B. die Schularbeiten für uns Kinder im Winter gestalteten, vor allem bei größeren Familien. Im Hause waren es meist Petroleumlampen und Kerzen. Im Wohnzimmer hatten manche Familien eine Hängelampe (Kronleuchter) oder aber Wand- und Tischlampen. Beim Raumwechsel wurde eine Lampe mitgenommen.

Um das Vieh zu versorgen, gab es die Stalllaternen. Fürs Fahrrad oder zum Stämmefahren gab es Petroleum- oder Karbidlampen, manchmal auch Taschen-Batterielampen. Zum Anzünden gehörten auf jeden Fall zum Karbid auch Wasser und Zündhölzer.

Da fällt mir ein Erlebnis meines Bruders ein. Er kam abends von Breslau. Unterwegs in Juliusburg ging die Lampe aus. In einem Haus war ein erleuchtetes Fenster. Er klopfte an die Scheiben, bat um eine Tasse Wasser. Da erlosch das Licht und eine Stimme rief:"Wir schlafen schon lange". Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das nachgefüllte Karbid mit eigener, warmer Körperflüssigkeit (Urin) nachzufüllen.

Inzwischen ging der Wunsch nach Elektrifizierung weiter. Zwei Ingenieure suchten vergeblich eine Unterkunft. Schließlich wurden sie von meinen Eltern aufgenommen. Der damalige katholische Pfarrer predigte gegen das "Teufelszeug". Daraufhin ließen etliche Bauern keine Masten auf ihre Felder stellen, Fohlen oder Kälber könnten sich daran totstoßen. So spottete man über "katholisches" und "evangelisches Licht". Natürlich wurde unser Gehöft zuerst angeschlossen.

Ein Ingenieur ärgerte sich über die in einem Bauernhof üblichen Fliegen (Misthaufen). Er bastelte einen elektrischen Fliegenfänger. Ein Prisma wurde mit feinem Draht umwickelt. Sobald eine Fliege den Draht berührte, fiel sie tot ab. Einmal kam eine Bremse, durch ihre Größe berührte sie zwei Drähte und verursachte einen Kurzschluß.

Als später auch die übrigen Gehöfte angeschlossen wurden, mußten sie natürlich viel mehr bezahlen. Soweit ich mich noch erinnere, ging es immer um einen Preis für fünf Brennstellen. Darum wurde oft zwischen Kuh- und Pferdestall ein Mauerdurchbruch vorgenommen. Fraglich ist, ob das auf Dauer den Betrieb nicht deutlich verteuerte, stärkere Birne und gleichzeitige Benutzung.

Der Kraftstrom wurde erst später angelegt. Erst wurde noch mit Göpelbetrieb und Pferden gedroschen; als wir zurückgekommen sind, wurde mit Flegeln gearbeitet.

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